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Der Soldat

Im siebten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg und zwanzig Jahre nach der friedlichen Wiedervereinigung ihres Vaterlandes können sich die Deutschen kaum noch vorstellen, dass ihr Glück und ihr Gemeinwesen jemals wieder durch eine Katastrophe existenzbedrohender Art gefährdet werden könnten. Dabei würde schon die Fallanalyse eines strengen Winters mit mehreren Wochen ohne Stromversorgung genügen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass praktisch augenblicklich der Zusammenbruch der wichtigsten Transport-, Versorgungs- und Kommunikationswege und damit eine Katastrophe mit einer Vielzahl von Toten, Kranken und Hilfsbedürftigen eintreten würde. Allein die Vorstellung, dass die Banken und damit der elektronische Zahlungsverkehr für eine längere Zeit ausfallen könnten, lässt erahnen, wie schwierig der Kauf von Lebensmitteln werden und wie bald mit Plünderungen bei den knapper werdenden Gütern zu rechnen sein würde.

Wie sieht nun der Mensch aus, der in dieser Lage sein familiäres Umfeld verlässt und sich aufmacht, um in grimmiger Kälte und angesichts überall gegenwärtiger Gefahrenlagen das Schlimmste zu verhindern und die letalen staatlichen Systeme wieder in Gang zu bringen. Und das, obwohl er noch nicht einmal damit rechnen kann, sein Gehalt überwiesen zu bekommen…

„Staat und Soldat sind durch ein System gegenseitiger Treue miteinander verbunden“, formuliert das Soldatengesetz und beschreibt damit die Erwartung der Republik an ihre Soldaten, dem Ruf ihrer Vorgesetzten in einer solchen Situation ohne Zögern zu folgen und mehr noch, dabei ganz konkret Gefahren für das eigene Leben in Kauf zu nehmen.
Diese höchste Form der Treue, die Tugend der Tapferkeit, ist es, die den Soldaten systemgemäß von allen anderen Personen, auch vom Polizisten unterscheidet. Und die ein scheinbares Paradoxon formuliert, dem jeder Führer, insbesondere aber die Verantwortlichen der höchsten Führungsebenen in besonderem Maße ausgesetzt sind: Nämlich denjenigen in Gefahrenlagen bringen zu müssen, für dessen Leben er als fürsorglicher Vorgesetzter und Kamerad kraft Gesetzes zugleich Garant ist.

Wo immer in Afghanistan eine Patrouille auf den Weg geschickt wird, bedeutet dies Inkaufnahme realer Lebensgefahr für die eingesetzten Soldaten durch seinen Staat, die nur gerechtfertigt werden kann durch einen mit diesem Auftrag verteidigten höheren Wert. Der Soldat im Fahrzeug muss jederzeit darauf vertrauen können, dass diese Güterabwägung immerwährend Gegenstand der Operationsplanung ist – und der militärische Führer vermittelt diese Verantwortung schlussendlich an das Primat der Politik. Auch in diesem Sinne muss das Versprechen von Altbundeskanzler Helmut Schmidt anlässlich der Rekrutenvereidigung im Juli 2008 vor dem Berliner Reichstag verstanden werden: Deutsche Soldaten können sich darauf verlassen, dass sie von ihrem Staat und damit von ihrer höheren Führung niemals missbraucht werden!