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Erziehung, also die Vermittlung von Werten, ist seit jeher das Königsrecht und nach der Führung die wichtigste Aufgabe des Offiziers!

Der Gesetzgeber hat in der Wehrdisziplinarordnung (WDO) festgeschrieben, dass die Disziplinarbefugnis, also die Durchsetzung der durch die soldatischen Pflichten als Tugendkanon gesetzte Werteordnung, nur durch Offiziere bzw. durch den BMVg ausgeübt werden darf.

Sofern der zuständige Disziplinarvorgesetzte die Ermittlungen nicht selbst vornimmt, kann er die Aufklärung des Sachverhaltes jedem Offizier übertragen. 
Dies macht deutlich, dass die erzieherische Wirkung, die durch den Vorhalt des Vorwurfes gegenüber dem Beschuldigten, durch die Vernehmung der Zeugen und schließlich durch die Disziplinierung selbst eintritt, in erster Linie und formell von einem Offizier ausgehen soll.

Das Leitbild ist klar:

Offiziere sind per se pflichtentreu und deshalb jederzeit in der Lage, anderen die soldatischen Tugenden als Wert zu vermitteln.

Folgerichtig verliert ein Offizier, der in den Verdacht geraten ist, selbst an der Tat beteiligt zu sein, seine Disziplinarbefugnis automatisch an den nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten.

Erziehung ist Fakt!  

Der Mensch nimmt Werte und Prinzipien durch die aktive Wahrnehmung seiner Umwelt an. 
Schlechte Erfahrungen führen zur Ablehnung - positive Empfindungen zur Akzeptanz eines Wertes oder Regelwerks.     

Entscheidend ist dabei in erster Linie die Qualität der vorgelebten Beispiele und Leitbilder.

Der Offizier wird nur dann als Erzieher wirksam werden können, wenn er selbst die eingeforderten Prinzipien lebt. 

24 Stunden am Tag; 7 Tage in der Woche; 52 Wochen im Jahr - sein Leben lang!

Offizier sein heißt, sich zu den soldatischen Tugenden als Lebensprinzip zu bekennen und sich für eine werteorientierte Lebensführung entschieden zu haben. 

Treue, Kameradschaft, Fürsorge, Disziplin und Ehrlichkeit kennen keinen Dienstschluss! 
Sie werden zu jeder Zeit in jeder Situation eingefordert.

Der in freier Selbstbestimmung geleistete Eid gilt zunächst einmal sich selbst.    

Ihn nicht wirklich verinnerlichen zu wollen, bedeutet, mit einem falschen Bekenntnis zu leben. Das ist unethisch - und eines Offiziers unwürdig!

Offizier ist man, oder man ist es eben nicht:

Es kommt für jeden der Augenblick 
der Wahl und der Entscheidung:

 Ob er sein eigenes Leben führen will, 
ein höchst persönliches Leben in tiefster Fülle,

oder ob er sich zu jenem falschen, seichten, 
erniedrigenden Dasein entschließen soll, 
das die Heuchelei der Welt von ihm begehrt.

 
Oscar Wilde

Major Artur Iwanski von Iwanina  
(in: Applikatorische Besprechungen über das Dienst- und Privatleben des neuernannten Offiziers / Kadetten der Fußtruppen. 3. Auflage 1905):


§ 8 Verhältnis des Offiziers (Kadetten) zum Manne.

Der Untergebene soll immer als Mensch behandelt werden. 
Der Offizier muss den Mann moralisch beherrschen. 

Nicht die Furcht, sondern hohe Achtung muss die Grundlage des unbedingten Gehorsams bilden. 

Gewehrgriffe und Wendungen können wohl gedrillt werden - der innere Wert des Soldaten muss durch Erziehung gehoben werden.

Der Offizier muss sich immer seiner hohen Pflicht bewusst sein, dass er nicht nur der Führer des Mannes, sondern auch dessen Erzieher sein soll.

Bei richtiger und hoher Auffassung dieses seines Berufes wird der denkende Offizier selbst gelegentlich der Tradierung des unscheinbarsten oder realsten Gegenstandes vielfach Gelegenheit finden, 
moralisch hebend - veredeln und bildend - auf die Mannschaft zu wirken.

Dem Offizier muß als Ziel vorschweben, dem Manne die höchsten Soldatentugenden anzuerziehen.  ...

Vor allem anderen muß er durch das eigene Beispiel wirken, er darf in seinem Fühlen und Denken, seinem Handeln, seinem ganzen Tun und Gebaren seine vornehme Denkungsart nie verleugnen.  ...

Es muß den Ehrgeiz und das Streben des Offiziers bilden, den Mann vor allem anderen durch Achtung an sich zu fesseln. 

Die Achtung und das Vertrauen und der dadurch erzeugte Respekt muß die Basis jenes unerschütterlichen und unbedingten Gehorsams bilden, der auch im Angesichte des Todes seine Macht nicht verliert.

Den Mann richtig zu behandeln ist also eine Kunst und diese Kunst erfordert vor allem Kenntnisse und Herz!

Oberst a.D. C. Schaible/GenMaj a.D. Spohn  
(in: Standes- und Berufspflichten des deutschen Offiziers. 7. Auflage 1915)

II. 4. Der Offizier als Träger der Manneszucht

... Die Erziehung zur Manneszucht in möglichster Vollkommenheit und zu den inneren soldatischen Errungenschaften durch alle Mittel der Belehrung, des Beispiels, geistiger und moralischer Anregung ist eine schwierige und zugleich verantwortungsvolle Aufgabe aller Offiziere.

Darum müssen sie sich immerwährend vergegenwärtigen, daß sie nur dann machtvoll einzugreifen imstande sind, wenn sie selbst als Muster strenger Manneszucht erscheinen. ...

Der Aufrechterhaltung und Handhabung der Manneszucht dient die Disziplinargewalt. 

Sie ist der Inbegriff aller Rechte und Befugnisse der Vorgesetzten, neben denen die sittliche Pflicht einhergehen muß, sie nicht zu mißbrauchen.