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Gewaltmonopol und Strafecht

Nach den historisch gewachsenen Grundprinzipien des deutschen Strafrechts erfüllt auch die staatlich legitimierte Anwendung von Gewalt zunächst Tatbestände nach dem Strafgesetzbuch. Die erfolgreiche Teilnahme an Kampfhandlungen eines Soldaten macht diesen also regelmäßig und automatisch zum Täter etwa des Totschlags, der schweren und gefährlichen Körperverletzung, der Sachbeschädigung, der Brandstiftung und der Nötigung.

Das grundlegende Prinzip, wonach dem Staat die ausschließliche Aufgabe zugewiesen ist, die Freiheitsrechte der Bürger, also Sicherheit und Ordnung des Gemeinwesens zu garantieren, macht diesen zum alleinigen Träger legitimierter Gewaltanwendung, also zum Inhaber des sog. Gewaltmonopols.

Naturgemäß hat sich der demokratisch und freiheitlich strukturierte Staat bei der Anwendung von Gewalt schon deshalb stets zu rechtfertigen, weil jede hoheitliche Handlung zugleich einen Eingriff in die Rechtssphäre des Bürgers darstellt. Gerade im demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Staat gilt jedoch für die Angehörigen der Staatsorgane die generelle Vermutung, dass sie immer dort zur Gewaltanwendung legitimiert sind, wo dies zur Durchsetzung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

Die entscheidende Dialektik des staatlichen Gewaltmonopols ist eine Doppelte. Nämlich, dass jede Gewaltanwendung dem gesetzlich normierten Gemeinwohl, also der Herstellung von Sicherheit und Ordnung dient und dass der Bürger sich darauf verlassen kann, dass seine Sicherheitsorgane auch in der Lage sind, jegliche denkbare Gefahrenlage sicher zu beherrschen.

Da die Verwirklichung strafrechtlicher Tatbestände für den Inhaber des Gewaltmonopols stets durch verfassungsrechtliche oder gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen legitimiert wird, ist das entsprechende Handeln der Hoheitsträger systemgemäß gerechtfertigt und von vorneherein als straflos zu bewerten. Dies ist schon deshalb bedeutsam, weil der Hoheitsträger bei der Gewaltanwendung generell mit Vorsatz, also bewußt und gewollt handelt.

Diesen grundlegenden Prinzipien demokratisch und rechtsstaatlich legitimierter Anwendung hoheitlicher Gewalt steht jedoch eine gesellschaftliche Entwicklung entgegen, die im Verzicht des Staates auf hoheitliche Handlungsformen einen Fortschritt sieht und jeglicher Form von Gewaltanwendung von Sicherheitsorganen den Odem der Unverhältnismäßigkeit andichtet.

Wo jedoch das Gemeinwohl und die Verteidigung der Werte Sicherheit und Ordnung als abstrakte Begründung für die Durchsetzung staatlicher Aufgaben mittels Gewaltanwendung nicht mehr akzeptiert wird, neigt der einzelne Angehörige der Staatsgewalt zwangsläufig dazu, die Anwendung von Gewalt auf diejenigen Fälle zu beschränken, wo er selbst unmittelbar und gegenwärtig gefährdet wird, also auf Situationen der Notwehr.

Die Notwehr ist jedoch ein sog. „Jedermann-Recht“, das nur für diejenigen Fälle Platz greift, in denen das Gewaltmonopol des Staates die Sicherheit nicht gewährleisten konnte und der Bürger nunmehr seine Rechtsgüter wieder eigenhändig schützen muss.

Dass man das Handeln der Staatsorgane bereits in der breiten Öffentlichkeit anhand der Grundsätze für die „Jedermann-Rechte“ bewertet, macht einen deutlichen Mangel an Verständnis für die Funktion und Handlungsmaximen der Träger des Gewaltmonopols in Deutschland deutlich: Hoheitsträger sind eben nicht „Jedermann“ und handeln niemals aus Eigenmacht, sondern ausschließlich kraft gesetzlicher Legitimation!